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  • Autorenbildcarolin rebmann

Ein Sommerblumen-Leben lang


In meinem Garten sind diesen Sommer wunderschöne Sonnenblumen gewachsen. Ich hatte sie nicht selbst gepflanzt. Sie waren ein Geschenk. Und wie die Zeit verging, nein, sie raste, wuchsen sie in die Höhe. Und noch höher. Sie wuchsen schnell, vielleicht zu schnell. Und hoch, vielleicht zu hoch, so dass sie mich am Ende sogar überragten.

Begeistert und nach kurzer Zeit bereits ritualisiert als Bestandteil des Alltags sah ich den Sonnenblumen zu, wie sie ihre imposanten, gelb leuchtenden Löwenköpfe tagtäglich der Sonne entgegen streckten. Unermüdlich, um all die Wärme, die das Leben in diesen Tagen zu bieten hatte, aufzusaugen. Als wüssten sie nicht, um die Endlichkeit des Sommers.

Und wenn schon, es war ihnen wahrscheinlich egal. Denn in dieser Zeit schien die Sonne nur für sie zu scheinen. Die perfekte Symbiose aus Jahrezeit, Planet und Pflanze, vereint in einem Wort. Sonnenblume. Auch andere bemerkten die diesjährige Gartenpracht und erfreuten sich an ihr. Löwenmähnen im Sonnenlicht, stark, stetig der Natur ausgesetzt, Wind, Spiel?

Mit der Zeit - und viel schneller als erwartet - waren die Blumen ausgewachsen und hatten aufgehört, sich nach der Sonne auszurichten. Sie blickten stur in eine Richtung und auch die Sonne zeigte sich nur noch selten. Es folgten die Tage des Regens und plötzlich wirkten die Sonnenblumen sehr müde. Ich hatte den Moment verpasst, ihre Kerne zu ernten. Zu schnell waren sie verwelkt. Und nicht nur das. Sie lagen wortwörtlich am Boden, denn sie hatten dem andauernden Starkregen und Sturm nicht Stand gehalten. Hätte ich es verhindern können? Ihre Lebenszeit verlängern? Oder ihnen wenigstens ein anderes Ende ermöglichen? Stört sie selbst ihre kurze Lebensdauer oder nur mich?

Gerade in dem Augenblick als die letzte Sonnenblume zu Boden gedrückt wurde - denn der Himmel weinte wieder einmal bittere Tränen - sah ich ihr beim Fallen zu. Sie hatte nicht nur sich, sondern auch die Last des Regens zu tragen - und gab nach. Wie angewurzelt stand ich da, während sie ihren Halt verlor. Heute habe ich die abgeschnittenen, verwelkten Sonnenblumen auf den Kompost gebracht, quasi zu Grabe getragen.

Nun muss ich mich an den neuen Anblick meines Gartens gewöhnen. Und an die Lücke, die nun entstanden ist. Der Platz, wo noch vor kurzem Sonnenblumen blühten, war vorher schon da und doch sieht er nun ganz anders aus, denke ich mir. Sie fehlen mir, meine Blumen. Ob sie nächstes Jahr wiederkommen, weiß ich nicht. Aber ich weiß, dass ich an dieser Stelle nichts anderes säen werde. Für Sonnenblumen gibt es keinen Ersatz. Ich werde abwarten, was sich die Natur einfallen lässt. Denn irgendetwas wird wieder wachsen. Langsamer, kleiner, gewöhnlicher, wahrscheinlich lästiges Unkraut. Aber das ist dann wenigstens beständig.






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