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  • Autorenbildcarolin rebmann

Akku leer? Die Gefahr des Digitalen Burnouts

Aktualisiert: 14. Juli 2019




Von der Technik erschlagen:


Das Smartphone bildet einen festen Bestandteil unseres Alltags. Neben all den nützlichen Funktionen, die die Digitalisierung bietet, nimmt auch die Auseinandersetzung mit negativen Folgen und den Herausforderungen unserer vernetzten Welt deutlich zu. Erste wissenschaftliche Studien zu unserem Smartphone-Konsum möchten besonders auf körperliche Gefahren und Risiken aufmerksam machen. Doch das ist im Grunde nicht nötig: Wie sehr uns die mobilen Endgeräte im Griff haben (anstatt umgekehrt), erfährt jeder, der es einfach mal für einen kurzen Moment schafft, abzuschalten!


Digitaler Burnout Digitaler Burnout beschreibt, angelehnt an das Burnout-Syndrom, den Zustand völliger körperlicher, geistiger und emotionaler Erschöpfung als Folgen unseres digitalisierten und technikorientierten Alltags. Wir teilen ständig unsere Aufmerksamkeit, erleben negativen Stress, Hektik und Überforderung. Dies löst psychische und physische Beschwerden aus. Durch die hohe Technik-Nutzung sinkt unsere Produktivität am Arbeitsplatz und dadurch die Zufriedenheit. Auch treten körperliche Beeinträchtigungen wie Nacken-, Schulter-, und Kopfschmerzen, bis hin zu gravierenden Krankheitsbildern wie Diabetes, Bluthochdruck und Herzinfarkt auf.

Der Hintergrund des Digitalen Burnouts ist die ständige Ablenkung, die die Menschen in ihrem Alltag herausfordert, vorwiegend bedingt durch die digitalen Medien und mobilen Endgeräte. Geprägt wurde der Begriff Digitaler Burnout von dem Informatik-Professor Alexander Markowetz. Für sein gleichnamiges Buch Digitaler Burnout – warum unsere permanente Smartphone-Nutzung gefährlich ist untersuchte er in einem großangelegten Projekt das Verhalten von 300.000 Smartphone-Nutzern. Auf diese Weise wurde herausgefunden, dass wir 88 Mal am Tag mit dem Handy beschäftigt sind – das Telefonieren nimmt hier einen sehr geringen Anteil ein – das heißt 2,5 Std. Klicken pro Tag. Dieses Verhalten zieht sich durch alle Altersgruppen und soziale Schichten, auch wenn die 17- 25-jährigen im Schnitt den Bildschirm ihres Smartphones sogar 100 Mal am Tag einschalten, insgesamt für drei Stunden täglich.


„Diese digitale Daueralarmbereitschaft überfordert unsere kognitiven, psychischen und sozialen Fähigkeiten und gefährdet damit sowohl unsere Jobs als auch unsere Beziehungen zu Freunden und Familie. Was daraus entsteht, ist ein psychosoziales Beben, das uns in eine kollektive Verhaltensstörung führt, die ich den „Digitalen Burnout“ nenne[…]Der Digitale Burnout ist ein Zustand, in dem unsere massive Smartphone-Nutzung zu einer unmittelbaren Störung unserer Produktivität und einem Verlust an Lebensglück führt. Beides zusammen macht uns langfristig krank. Wir erleben einen geistigen Erschöpfungszustand, der vergleichbar ist mit dem Burnout, den ein Workaholic erleidet.“ (Markowetz 2015).


Die permanenten Unterbrechungen machen unproduktiv und unglücklich Einen wesentlichen Grund für die negativen Auswirkungen bilden die ständigen Unterbrechungen durch die digitalen Medien. Immer noch ist die Arbeitsweise des Multitaskings weit verbreitet, die meint, mehrere Tätigkeiten sollten gleichzeitig ausgeführt werden, um zu einer höheren Produktivität zu gelangen. Viele Studien belegen jedoch heute, dass das Gegenteil der Fall ist. Multitasking bezeichnet einen technischen Vorgang, zu dem das menschliche Gehirn nicht in der Lage ist. Was wir brauchen sind Ruhe, regelmäßiger Schlaf, ausgewogene Ernährung und äußerste Konzentration auf nur eine Aufgabe, mit der wir uns beschäftigen. Dann ist unser Gehirn zu beeindruckenden Leistungen fähig und wir können unsere Arbeit erfolgreich erledigen.

Gleichzeitig verhindern die zahlreichen Unterbrechungen den sogenannten Flow, der ein produktives Arbeiten überhaupt erst ermöglicht. Und dieser Flow ist nicht nur für unsere Produktivität entscheidend, sondern beeinflusst auch, ob wir glücklich sind bei dem, was wir tun (vgl. Markowetz 2015).


Das soziale Miteinander verändert sich Auch das Privatleben verändert sich durch die intensive Nutzung digitaler Medien. Was mit dem Einzug des Fernsehers Mitte der 1950er- Jahren in deutschen Wohnzimmern begann, wird heute durch die Verwendung von Computern, Smartphones und Tablets gesteigert. Heutzutage ist es noch schwieriger, mit der Aufmerksamkeit bei sich und/ oder beim Partner zu bleiben, anstatt sich permanent ablenken und berieseln zu lassen. Passivität anstelle von aktivem Beisammensein.

Das betrifft den Umgang mit sozialen Kontakten im Allgemeinen. Haben bis vor wenigen Jahren noch die realen Erfahrungen in der sozialen Gemeinschaft gezählt, steigt und fällt das Gefühl der Anerkennung heute durch den Erfolg der digitalen Vernetzung. Wie definieren wir Freunde, Bekannte, Arbeitskollegen? Wo findet vorwiegend zwischenmenschlicher Austausch statt? Welche Qualität und Wertigkeit haben digitale Kontakte? All diese Fragen tauchen bei einer näheren Auseinandersetzung mit der Nutzung digitaler Medien auf, weil sie unser Umfeld, unsere Kommunikations(form) und das Beisammensein bestimmen. In diesem Zusammenhang kann ein Digitaler Burnout auch einen Erschöpfungszustand meinen, der durch den Druck, die Medien nutzen zu müssen, entsteht. Um beruflich weiterzukommen, um sich privat darzustellen (vielleicht auch zur Partnersuche), um Freundschaften online zu pflegen, geraten wir immer wieder in die vermeintliche Abhängigkeit der digitalen Medien. Auf diese Weise verschieben sich Prioritäten, andere Tätigkeiten werden vernachlässigt bis wir am Ende müde und ausgelaugt sind – unsere Akkus sind leer.


Symptome und Auswirkungen des digitalen Burnouts im medizinischen Kontext Auch wenn bisher noch keine medizinischen Langzeitstudien vorliegen, gibt es heute bereits wissenschaftliche Untersuchungen[1], die rein körperliche Beschwerden und Symptome auf eine hohe Mediennutzung zurückführen. Dazu gehören Nacken -, Schulter-, und Kopfschmerzen. Steigende Kurzsichtigkeit (nicht direkt aufgrund der Mediennutzung, sondern wegen verminderter Aufnahme von Tageslicht, weil man sich eher zuhause mit den Geräten beschäftigt) bis hin zu Diabetes, Bluthochdruck und Herzinfarkt, die hauptsächlich aufgrund des nachgewiesen schlechteren Schlafs entstehen können, wenn das Smartphone neben uns liegt.

Immer häufiger wird von den psychischen Auswirkungen gesprochen, die denen des dauerhaft negativen Stresses ähneln: Schlafstörungen, Unkonzentriertheit, geistige und körperliche Müdigkeit. Auch Angststörungen können auftreten (Angst, etwas zu verpassen, wenn das Smartphone nicht benutzt wird). Wie auch beim Burnout-Syndrom gibt es viele Parallelen des Digitalen Burnouts zu einer Depression, da Erschöpfung, Antriebslosigkeit, das Gefühl von Leere und Sinnlosigkeit bei beiden Zuständen, wenn auch in unterschiedlicher Ausprägung, vorkommen können. Hinzu kommt die Gefahr, dass ein Burnout-Zustand in eine Depression übergehen kann.


Gegenmaßnahmen In früheren Epochen wurde das Nichtstun zelebriert und als Teil des künstlerischen Prozesses oder des geistigen Wachstums angesehen. Das ist leider aus der Mode gekommen, so dass sich eher ein „Wer rastet, der rostet“ in den Köpfen verankert hat. Doch wie wichtig Pausen sind, um unsere Leistungsfähigkeit wieder herzustellen, kann die Hirnforschung beweisen. „Beim Nichtstun ist ein ganzes Netzwerk aus Hirnarealen aktiv, das, so die Theorie der Forscher, Erlebnisse und Erlerntes verarbeitet und die Synapsen neu sortiert“ (Markowetz, 2015: 102). Immerhin bestätigen Trends wie Achtsamkeitstrainings, dass das Bedürfnis, zu einem bewussten Umgang mit An- und Entspannungsphasen zurückzukehren, steigt.

IT-Experten suchen währenddessen nach technischen Lösungen wie integrierte Gerätepausen, in denen sich das Smartphone abschaltet, oder die Idee, das Öffnen gewisser Anwendungen bis zu ihrer Ausführung langsamer zu gestalten, dass sich der Aufwand, d.h. die Geduld dafür „lohnen muss“. Markowetz selbst appelliert außerdem an die gesellschaftliche Verpflichtung, die nur gemeinsam gemeistert werden kann, indem neue Kommunikationsetiketten eingeführt werden. Wie früher von der Mehrheit der Bevölkerung in bestimmten Regionen die Mittagsruhe eingehalten wurde, müssten auch heute neue Standards etabliert werden, die ein Stören durch digitale Medien gesellschaftlich verbitten.


Burnout- Prävention im Coaching Als Beraterin versuche ich mit meinen Klienten, ihre Selbstbestimmtheit in den Vordergrund zu rücken. Sie sollen spüren, dass nicht die technischen Geräte oder der externe Druck, sondern sie selbst die Oberhand behalten und ihre Aktivitäten bestimmen und steuern können. Dazu wenden wir uns elementaren Lebensfragen zu: Was ist uns wichtig in unserem Alltag? Was gibt uns Motivation? Welche eigenen Bedürfnisse haben wir und wie gehen wir mit Stress um? Die Antworten dienen als Präventionsmaßnahmen, denn es geht um Selbstfürsorge und darum, sich vor ungesunden Einflüssen zu schützen bzw. seine Energiequellen rechtzeitig vor der Erschöpfung auffüllen zu können.


Haben Sie Interesse an einem Vortrag zum Thema Digitaler Burnout? Hier finden Sie meine Angebote.





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